
Herrn Bürgermeister
Klaus Konrad Pesch
Eutelis-Platz 3
40878 Ratingen
26. November 2015
Rathausprojekt/Vergabeverfahren
hier: Ihr Schreiben vom 25.11.15
Sehr geehrter Herr Pesch,
wir beziehen uns auf
Ihr Schreiben vom 25.11.2015, in dem Sie auf
unseren Antrag vom 22.11.2015 eingehen. Zu diesem erlauben Sie uns folgende Anmerkungen:
1. Sondersitzung des HAFAW
Unser Antrag, eine Sondersitzung des Haupt-, Finanz- und Wirtschaftsförderungsausschusses einzuberufen, basiert schlichtweg auf dem Umstand, dass bereits in der kommenden Woche der Haushalt 2016 und 2017 vorentscheidend im HAFAW beraten wird und die Frage, ob und in welcher Höhe weitere Mittel für den Rathausbau zur Verfügung gestellt werden müssen, aufgrund der Größenordnung für den Gesamthaushalt eine entscheidende Rolle spielt. Wir haben die Befürchtung, dass ohne eingehende Beratung über mögliche Alternativen vorschnell haushalterisch relevante Beschlüsse gefasst werden. Einen Termin für die Sondersitzung hatten wir explizit nicht genannt, wichtig ist uns, dass dieser vor einer Entscheidung über den Haushalt liegt.
Dass letztlich der Stadtrat über die Einstellung der Mittel abschließend die Entschei-dung zu treffen hat, ist hier ebenso bekannt wie der Umstand, dass der BVA über die Vergabe zu beraten und zu beschließen hat. Uns ging es um eine "Vor"-Beratung des dem Rat vorgelagerten Hauptausschuss, um in diesem wichtigen Gremium die Weichen für weitere Entscheidungen zu treffen. Wir wehren uns gegen die Bereitstellung von erheblichen Mitteln im "Hauruckverfahren".
In Ihrer Stellungnahme kommen Sie ebenfalls zu dem Schluss, dass Beratungen und Entscheidungen so zeitig wie möglich zu erfolgen haben. Es wird offensichtlich, dass die Gremien mit unverantwortlich kurzer Vorlaufzeit über die Vergabe und Mittelbereit-stellung entscheiden müssen. Dem wollten wir vorbeugen.
2. Aufhebung GU-Vergabe
Wir gestehen zu, dass auf ersten Blick unser Antrag vorschnell wirkt, denn in der Tat liegen uns die Auswertungen und Bewertungen der Angebote noch nicht vor. Wir gehen jedoch davon aus, dass diese aufgrund der Eilbedürftigkeit und Notwendigkeit kurzfristig bis zu der geforderten Sondersitzung erstellt werden. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Vergabeüberprüfung in den Händen eines international tätigen Anwaltsbüros liegt, die über einen stattlichen Anwaltsstab verfügen. Aus eigener Kenntnis wissen wir, dass dort in Eilfällen auch bis tief in die Nacht gearbeitet wird. Dessen ungeachtet sind auf Seiten der Verwaltung 5 Mitarbeiter in das Rathausprojekt involviert, so dass auch hier "man-power" vorhanden ist. Wir reden im Übrigen auch nicht von 20, sondern nur von 2 Angeboten.
Dass die Aufhebung der GU-Vergabe juristisch intensiv geprüft und begründet werden muss, weiß insbesondere die Rechtsunterzeichnerin. Dass es mit dem Zitat einer BGH Entscheidung und einer Fachkommentierung "getan" ist, haben wir auch nicht behauptet. Die erforderliche Prüfung gehört im Übrigen nicht zum Aufgabenbereich ehrenamtlich tätiger Ratsmitglieder, sondern obliegt der Verwaltung. Auch hier werden Sie sich sicher kompetenter anwaltlicher Beratung bedienen. Gleiches gilt für die im Raum stehende Frage der Förderschädlichkeit der GU-Ausschreibung.
Wir bitten um Überlassung der von Ihnen zitierten Stellungnahme des Präsidenten der Gemeindeprüfungsanstalt. Diese steht im Widerspruch zu dem Aufgabeninhalt, der aus der Homepage der GPA NRW folgt, dort ist ausdrücklich die Rede von Prüfungen von Staatszuweisungen.
Wir verwahren uns vor Ihrer Bewertung, dass unser Antrag rein "politisch" motiviert sei. Wie bereits in unserem Antrag dargelegt, nehmen wir unsere Aufgabe, verantwortungsbewusst mit Steuergeldern umzugehen, ernst und sind nicht bereit, 5 Mio. € einfach "durchzuwinken" oder im Rahmen einer schlichten Ergänzungsliste oder eines Nachtragshaushaltes zu beraten. Mit dem Antrag wollten wir die Diskussion eröffnen, dies ist offensichtlich gelungen, wie die reflexartigen Pressemitteilungen und Reaktionen anderer Fraktionen belegen.
3. Einzelvergabe der Gewerke
Wir teilen nach Rücksprache mit einem projekterfahrenen Bauleiter nicht Ihre Ein-schätzung, dass die Einzelgewerksausschreiben einen Zeitraum von 5 Monate erfordert. Wenn der städtebaulich geförderte Teil mit Massenansätzen konventionell ausgeschrieben worden ist und der Kostenberechnung und der anschließenden Prüfung ebenfalls Massenermittlungen zugrunde liegen, braucht es keine 5 Monate um daraus ein Gewerke-Leistungsverzeichnis zu erstellen.
Im Übrigen dürfte jeder Bürger bei einer möglichen Einsparung von 5 Mio. € bereit sein, eine erneute Verzögerung von wenigen Monaten in Kauf zu nehmen, nachdem die Realisierung des Rathausprojekts bereits über 10 Jahre in Anspruch genommen hat. Nach allgemeiner Erfahrung mit öffentlichen Projekten muss im Laufe der Bauzeit sogar noch mit einer Erhöhung der Baukosten gerechnet werden, aus 4 oder 5 Mio. € Überschreitung könnten dann schnell 6 oder 8 Mio. € werden, auch dies gilt es zu vermeiden.
Nach Durchsicht der uns auf Anfrage überlassenen Ausschreibungsunterlagen ha-ben sich für uns folgende Fragen ergeben, um dessen Beantwortung wir bitten:
1. Offenbar ist zu der im Sommer erteilten Baugenehmigung, die Gegenstand der Ausschreibung war, ein Nachtrags-Bauantrag gestellt worden. Ist dieser inzwischen genehmigt worden? Was ist der Inhalt dieses Nachtrages? Löst dieser Nachtrag kostenrelevante Änderungen gegenüber dem Stand Baugenehmigung aus?
2. Wie begründet die Verwaltung die Kostensteigerung von 20 % gegenüber der ge-prüften und mit Sicherheitszuschlägen versehenen Kostenberechnung. Die Konjunkturlage der Bauindustrie kann nicht ausschlaggebend sein, da der Baukostenindex gemäß aktueller Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes im August 2015 gegenüber dem Vorjahres-Vergleichsmonat lediglich um 1,6 % gestiegen ist.
3. Wie ist zu erklären, dass nur zwei Bieter ein Angebot abgegeben haben? Liegt dies an der offenbar sehr komplizierten Ausschreibung? Die von Ihnen erwähnten mehreren tausend Seiten umfassenden Angebotsunterlagen deuten darauf hin. Der Ausschreibungstext ist juristisch einseitig zu Lasten der Anbieter verfasst und dürfte viele Anbieter vor einem Angebot abgeschreckt haben.
Nicht nachvollziehbar und in der Praxis bei GU-Vergaben unüblich ist die Vergabege-wichtung, die eine Höherstufung vorsieht, wenn der GU bei einem Nachtragsangebot einen Nachlass einräumen würde. Dieser wird doch sicherlich vorher eingepreist.
4. Worin begründen sich die von Ihnen erklärten umfangreichen Mehrarbeiten für die alternative Einzelausschreibung? Bisher wurde uns erklärt, dass die GU-Ausschreibung der anspruchsvollere und damit zeitintensivere Weg sei, um spätere Nachforderungen des GU zu vermeiden.
Sehr geehrter Herr Pesch, seien Sie versichert, dass der Fraktion der Bürger-Union daran gelegen ist, das Rathausprojekt endlich erfolgreich mit Ihnen zum Abschluss zu bringen. Wir haben versucht, mit unserem Vorschlag einen konstruktiven Beitrag zur Kosteneinhaltung beim Rathaus-Neubau zu leisten. Wir sehen uns in der politischen Verantwortung gegenüber dem Bürger und Steuerzahler, dem nicht zugemutet werden kann, dass Mehrkosten in namhafter Größenordnung in Kauf genommen werden, ohne mögliche Einsparpotenziale zu prüfen. Falls die Verwaltung einen besseren oder sonst wie zielführenden Vorschlag zur Einhaltung der in der von Fachleuten erstellten Kostenberechnung genannten Baukostensumme von 28,8 Mio. € vorlegt, sind wir gerne bereit, diesen offen und unvoreingenommen zu diskutieren.
Mit freundlichen Grüßen
Alexander von der Gro¬eben Angela Diehl
Fraktionsvorsitzender 1. stellvertr. Fraktionsvorsitzende