
Herrn Bürgermeister ´
Harald Birkenkamp
Rathaus
Minoritenstraße 2-6
40878 Ratingen
03.07.11
Dichtheitsprüfung privater Abwasserleitungen Vorlage 370/2010
Sitzung StUmA 05.07.2011 TOP 3
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Birkenkamp,
wir beantragen,
1. TOP 3 der Sitzung des StUmA vom 05.07.2010 - Dichtheitsprüfung privater Abwasserleitungen - zu vertagen,
2. die erneute kurzfristige Einberufung des Arbeitskreises Wasser.
Begründung:
Wir halten es für sachdienlicher und effizienter, die Ergänzungsanträge und Anregungen der Fraktionen (Antrag Bürger-Union vom 26.06.2011, Antrag CDU vom 15.06.2011) im Arbeitskreis Wasser zu erörtern und zu behandeln. In diesem „Spezialgremium“, in dem sich die Mitglieder bereits umfassend in die Thematik eingearbeitet haben, sollte ein bürgernaher und abschließender Satzungsentwurf erarbeitet werden. Die Satzungsvorlage 370/210 enthält noch einige ungeklärte Punkte.
Für die Sitzung des Arbeitskreises Wasser halten wir insbesondere die nachstehenden Punkte für diskussionswürdig und bitten um Aufnahme auf die Tagesordnung:
I. Prüfungsmethoden
a. Freie Wahl der Prüfungsmethode
Mit Erlass vom 17.06.2011 hat das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes NRW weitere ergänzende Angaben zur Prüfungsmethode gemacht. Hierbei hat es klar zu verstehen gegeben, dass die Art der Prüfung nicht vorgegeben ist und die optische Inspektion mit Kanal-TV-Kamera als grundsätzlicher Nachweis anerkannt wird. Ausnahmen seien zwar in Fremdwasserschwerpunkt- und Wasserschutzgebieten sinnvoll, aber hieraus würden sich Ungleichbehandlungen gegenüber den öffentlichen Kanalnetzbetreibern (Städte und Gemeinden) ergeben, die es zu vermeiden gilt.
Im Übrigen wäre eine solche Ausnahmeregelung für Ratingen wegen der überaus großen Wasserschutzgebietsfläche – ca. 2/3 des bebauten Stadtgebiets – nicht sinnvoll bzw. würde die Bürgerschaft wesentlich belasten, da dann fast jeder Bürger hinsichtlich der Wahl der Prüfungsmethode eingeschränkt würde. Druckprüfungen, die die Stadt Ratingen ursprünglich gefordert hat, sollen nach dem Erlass i.d.R. nur bei Neubauten und wesentlichen Änderungen erfolgen.
b. Streichung der Anordnung der Druckprüfung in begründeten Zweifelsfällen
Den Eingriff in den Grundsatz der freien Wahl der Prüfungsmethode dadurch, dass die Stadt in begründeten Zweifelsfällen das Recht bekommen soll, eine Druckprüfung anzuordnen, halten wir für falsch und sollte ersatzlos gestrichen werden. Denn nach dem Gesetz (§ 61a Abs. 3 und 6 LWG NRW) hat (nur) der zugelassene Sachkundige über die Dichtheit der Abwasserleitung zu entscheiden und nicht die Stadt. Zudem sind grundsätzlich nur bei wesentlichen Änderungen an den Abwasserleitungen Druckprüfungen vorgegeben. Sollte der Sachkundige im Einzelfall eine Kamerabfahrung für nicht ausreichend erachten, z. B. weil aufgrund von Verzweigungen nicht die gesamte Leitung mit der Kamera befahren werden kann, hat dieser nach Rücksprache mit dem Eigentümer eine andere Prüfungsmethode anzuwenden.
Die Forderung nach einer Druckprüfung (selbst im begründeten Einzelfall) stünde im Widerspruch zu der Forderung, dass Bagatellschäden nicht repariert werden müssen. Denn sollte beispielsweise ein Haarriss auf der Oberseite der Leitung vorliegen, bedingt dieser - sogar nach Pressemitteilungen des Umweltministeriums - keine undichte Abwasserleitung und erst recht keine Sanierung. Genau dieser Haarriss würde u. U. jedoch zu einer nicht bestandenen Druckprüfung führen (nach Angaben von Sachverständigen reicht selbst ein stecknadelgroßes Loch in der Abwasserleitung aus, damit eine Druckprüfung nicht bestanden wird!). Ausweislich der Vorlage 370/2010 werden Schäden an städtischen Kanälen nach Prioritäten saniert, d. h. nicht alle Leitungen sind zu 100% dicht, nur schwerwiegende Schäden werden zeitnah behoben. Es ist zu befürchten, dass kaum eine städtische Leitung die Druckprüfung bestehen würde, gleichwohl will sich die Stadt Ratingen das Recht vorbehalten, im Einzelfall bei den Abwasserleitungen ihrer Bürgerinnen und Bürgern eine Druckprüfung anzuordnen. Das kann nicht richtig sein.
c. „Drucklose Durchflussprüfung“ als neue Prüfungsmethode
Zu der von den drei großen Landtagsfraktionen geforderten „drucklosen Durchflussprüfung“ (Vergleich der in die Abwasserleitung eingegebenen und am Ende der Abwasserleitung gemessenen Wassermenge) hat das Ministerium in seinem neuen Erlass keine konkretisierenden Angaben gemacht. Vermutlich liegt das daran, dass diese Prüfungsmethode bislang in keiner DIN - insbesondere nicht in der DIN 1986-30 - geregelt wurde. Es bedarf daher einer verbindlichen Regelung, wie diese drucklose Durchflussprüfung durchzuführen ist. Zu vermuten ist, dass das Ministerium aufgrund der Aufforderung der Landtagsfraktionen diese Regelung noch erarbeiten und die Kommunen entsprechend unterrichten werden. Von daher regen wir an, diese Methode, ggf. unter dem Vorbehalt einer verbindlichen Regelung, in die städtische Satzung aufzunehmen und das Ministerium um entsprechende Mitteilung zu bitten.
U. E. könnte aber selbst dann, wenn das Ministerium keine Regelungen zu der drucklosen Durchflussprüfung heraus gibt, die Stadt Ratingen ggf. zusammen mit anderen Städten hierzu eigene Regelungen aufstellen, da die Prüfungsmethode nicht vorgegeben ist.
Nach unseren Informationen haben bereits zwei Universitäten hinsichtlich einer solchen drucklosen Durchflussprüfung bzw. Durchflussmengenprüfung Forschungsergebnisse vorzuweisen (RWTH Aachen und UniBW München). Sofern erforderlich, könnte die Verwaltung die genauen Forschungs-ergebnisse dort erfragen. Im Hinblick auf die allein in Ratingen zu prüfenden 20.700 privaten Abwasserleitungen sollte sich der einmalige Aufwand für die Ausarbeitung von Regelungen zu der drucklosen Durchflussprüfung lohnen.
Wir sind fest davon überzeugt, dass diese neue Prüfungsmethode zeigen wird, dass viele Leitungen trotz kleinerer Schäden noch ihrem Zweck entsprechend dicht sind, d. h. dass sie das häusliche Abwasser bis zum öffentlichen Kanal fortleiten und dieses nicht in den Boden gelangt und somit die Umwelt nicht gefährdet. Denn selbst kleine Öffnungen im Sohlbereich der Leitung werden nach einiger Zeit durch Ablagerungen geschlossen und die Abwasserleitungen sind stets mit Gefälle verlegt. Kleine Undichtigkeiten im oberen Bereich der Abwasserleitung dürften ohnehin keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt haben, da das Abwasser nur im Sohlbereich fortgeleitet wird (die Abwasserleitungen sind nicht komplett gefüllt und stehen nicht unter Druck!). Die Sanierung/Erneuerung einer privaten Abwasserleitung für mehrere tausend Euro, von der nur fiktiv eine Umweltgefahr ausgeht, ist nach unserem Dafürhalten nicht im Interesse der Bürgerschaft, sondern geradezu bürgerfeindlich.
II. Fördermittel für Sanierungen privater Abwasserleitungen in Fremdwasserschwerpunktgebieten
Nach dem Investitionsprogramm „Abwasser NRW“, Förderbereich „Fremdwasser - Private Kanalsanierung“ ist die Durchführung einer Druckprüfung als Zuwendungsvoraussetzung nicht zwingend vorgeschrieben, sondern nur dass die Gemeinde im abgegrenzten Fremdwasserschwerpunktgebiet durch Satzung die Inspektion aller Hausanschlüsse veranlasst haben muss (siehe http://www.nrwbank.de/pdf/dt/ipa-programme/NRW_Invest-Abwasser_Richtlininien_Broschuere.pdf , Förderbereich 6.3, Seite 50, Nr. 4c).
Sollte dennoch im Hinblick auf den Förderzweck „Fremdwasserbeseitigung“ eine Druckprüfung verlangt werden, so müssten u. E. auch die entsprechenden Kanäle der Stadt in diesem Gebiet eine Druckprüfung durchführen, da alles andere überhaupt keinen Sinn macht. Denn das Fremdwasser würde sonst durch die nur optisch geprüften öffentlichen Kanäle eindringen, die zudem tiefer liegen als die privaten Abwasserleitungen. Die Stadt Ratingen hat aber ihre bestehenden Kanäle bislang nicht mit Druck geprüft!
Viel interessanter ist aber die weitere Zuwendungsvoraussetzung, nämlich dass eine Förderung nur in Betracht kommt, wenn in einem Fremdwasserschwerpunktgebiet die öffentliche und private Kanalisation ganzheitlich (als Einheit) saniert wird. Wenn aber die Bürgerinnen und Bürger in den vermeintlichen Fremdwasserschwerpunktgebieten bis spätestens 2013 ihre Prüfungen und anschließend die Sanierungen durchführen müssen (Lintorf, Breitscheid und Tiefenbroich), werden bis dahin die öffentlichen Kanäle überhaupt noch nicht geprüft, geschweige denn saniert worden sein. Somit wird kein Bürger aufgrund der starren Durchführungsfristen in den Genuss der Zuwendung kommen, da Bürger und Stadt gemeinsam die Sanierung durchführen müssten. Der seitens der Stadtverwaltung ins Spiel gebrachte Aspekt, Fördermittel vom Land erhalten zu können, unterstützt daher die sinnvolle Forderung, von starren Prüfungsfristen abzusehen und nur eine gemeinsame Prüfung und Sanierung von privaten Abwasserleitungen und öffentlichen Kanälen vorzunehmen.
III. Als weitere Tagesordnungspunkte für den Arbeitskreis bitten wir die Punkte 2 und 3 unseres Antrages vom 26.06.2011 (Vorgehen bei geringfügigen Schäden, zeitgleiche Dichtheitsprüfung öffentlicher und privater Kanäle außerhalb von Wasserschutzgebieten) aufzunehmen.
IV. Zu überlegen ist letztlich, ob nicht die Pflicht zur Überprüfung der Dichtheit bestehender Abwasserkanäle solange ausgesetzt werden sollte, bis eine bundeseinheitliche gesetzliche Regelung verabschiedet wurde.
V. Die zur Information der Bürger am 23. Juli 2011 in der Ratinger Stadthalle vorgesehene Auftaktveranstaltung „Tag der Grundstücksentwässerung“ ist, genauso wie weitere dezentrale Veranstaltungen in den Stadtteilen, nach Entscheidungsfindung der Gremien neu zu terminieren.
Mit freundlichen Grüßen
Angela Diehl Annelie Proboszcz
2. stellvert. Fraktionsvorsitzende Mitglied AK Wasser
Ratsmitglied