
aus dem Ratinger Wochenblatt vom 05. Mai 2011 mit den Titeln "Aufgespießt", "Debatte um öffentliche Toiletten in der City geht unermüdlich weiter" und "Klo „wie in der Großstadt“"
Ratingen. Es gibt ja unendlich viele Möglichkeiten, wie sich eine Stadt selbst erhöhen kann. Klappern gehört auch zum kommunalen Handwerk, warum also nicht mit seinen Vorzügen für sich werben? Seit Freitag ist Ratingen um eine weitere Attraktion reicher – auf einem Gebiet, auf dem unsere Stadt bisher noch nicht so glänzen konnte. Aber nun verkündete die Verwaltung, dass erstmals in der Geschichte Ratingens eine automatische WC-Anlage in Betrieb genommen wurde. Und zwar nicht irgendeine, sondern eine, „wie man sie bisher in Großstädten vorfindet“, wie es voller Stolz in der Mitteilung des Sozialamtes heißt, das wegen seiner Zuständigkeit für das Seniorenwesen bei diesem Projekt federführend war. Der Seniorenrat hat sich um den Bau der City-Toilette große Verdienste erworben.
Das metropolenwürdige Klo steht als Anbau des Technischen Rathauses an der Minoritenstraße 3 in der Nähe des Marktplatzes. Es ist gegen eine Gebühr von 50 Cent rund um die Uhr nutzbar und erfüllt einen hohen Hygienestandard, so die Stadt: „Nach jeder Nutzung wird die Toilettenbrille automatisch nass gereinigt, und auch der Bodenbereich wird regelmäßig automatisch mittels Wasserdüsen gesäubert. Handwaschmittel und die Trocknung der Hände stehen auf Knopfdruck zur Verfügung. Auch haben Vandalen keine Chance, da die Innenwände und die robusten Sanitärobjekte aus hochwertigem Edelstahl gefertigt sind.“ Solche Qualität hat ihren Preis. Satte 110 000 Euro hat der Bau gekostet. Dafür bauen sich andere ein Reihenhäuschen. Der Anschluss an die Kanalisation und die Verklinkerung der Außenmauern im Technischen-Rathaus-Design hätten die Kosten getrieben.
„Mit der Eröffnung dieses City-WCs geht nun ein lang gehegter Wunsch insbesondere der Ratinger Seniorinnen und Senioren in Erfüllung, da für sie die öffentliche Toilette unter dem Marktplatz nur schwer erreichbar war“, bilanziert die Verwaltung. Alle Bedürfnisse lassen sich damit aber trotz der erklecklichen Kosten nicht befriedigen. So ist das neue Klo zwar barrierefrei, aber nicht für Rollstuhlfahrer geeignet. Für sie gibt es nur ein paar Meter weiter das Schwerbehinderten-WC im Technischen Rathaus, das nach wie vor mit dem bundeseinheitlichen Schlüssel jederzeit geöffnet werden kann.
Und was passiert nun mit den „Katakomben“ unter dem Marktplatz, wie Baudezernent Netzel die alten City-Klos während der entscheidenden politischen Debatte tituliert hatte? Die sollten durch den neuen Toilettenautomaten eigentlich überflüssig und irgendwann geschlossen werden, was dann ja auch die Investitionskosten in einem günstigeren Licht erscheinen ließ. Durch die Einsparungen beim Betrieb der Katakomben würde sich der Bau des neuen Automaten irgendwann – und sei es nach 25 Jahren – amortisieren.
Doch schon am Tag nach der Inbetriebnahme zeichnete sich ab, dass diese Rechnung wohl nicht aufgehen wird. Die Bürger-Union beantragte mit Vehemenz, auch die Klos unter dem Marktplatz in Betrieb zu halten – und legte dafür Zahlen vor, die wesentlich überzeugender sind als die Milchmädchenrechnung, die seinerzeit den folgenschweren Beschluss begünstigt hatte. Die BU hatte nämlich herausgefunden, dass die Katakomben schon an normalen Markttagen von bis zu 300 Personen benutzt werden, ganz zu schweigen von besonderen Veranstaltungen in der Innenstadt. Schon bei einer bescheidenen Verweildauer von drei Minuten je Benutzer sei klar erkennbar, dass die Leistungsfähigkeit des neuen City-Klos hinten und vorn nicht ausreiche, so die BU. Denn diese „Toilette“ ist wörtlich zu verstehen, also Einzahl, eine für Männlein und Weiblein, was wegen der Reinigungsvollautomatik wohl kein Hygiene-, aber eben ein Kapazitätsproblem ist. 300-mal drei Minuten, macht 15 Stunden Dauerbetrieb an normalen Markttagen, vorausgesetzt das Ding läuft pannenfrei – und man stelle sich erst die Wartezeit vor!
Für die Bürger-Union kann es keinen Zweifel geben, dass die unterirdischen Toiletten im Schatten von St. Peter und Paul unbedingt erhalten werden müssen. Schließlich wolle man bei Stadtfesten auch keine „Armada von Dixi-Toilettenhäuschen in Reih und Glied auf der Oberstraße“ sehen. Und dass die 110 000 Euro nun einfach so in den Wind geschossen sind? Nun ja, eine Erleichterung ist das neue Klo auf jeden Fall, und im Übrigen gilt die Weisheit: Bei manchem Geschäft zahlt man halt drauf. es