
Zusammenarbeit mit Gegenkandidat Pesch: Kein Problem unter Profis
Bürger und Vereine sollen nicht unter dem Soli leiden
Von Egon Schuster / 16. Januar 2014
Am morgigen Freitag wird Bürgermeister Harald Birkenkamp eingeladene Gäste aus Politik und Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft beim Neujahrsempfang der Stadt Ratingen begrüßen. Motto ist diesmal „Ratingen international“. Im Mittelpunkt steht die Ratinger Wirtschaft, die heute in einem staunenswerten Ausmaß international verflochten ist. Beispielhaft steht das japanische Unternehmen Mitsubishi Electric, das schon so lange seine Deutschland-Niederlassung in Ratingen-West hat, dass es bald als Ratinger Traditionsfirma gelten kann. Im Gespräch mit dem Journalisten Matthias Roscher wird der Vizepräsident von Mitsubishi Electric Europe, Frank Küper, den Gästen in der Stadthalle sein Unternehmen vorstellen. Und natürlich wird Bürgermeister Birkenkamp eine Standortbestimmung vornehmen. Was gab’s 2013, was kommt 2014? Im Vorfeld stand Birkenkamp der Wochenblatt-Redaktion für ein Interview zu drängenden Themen der Zeit zur Verfügung, von Kommunalsoli bis Kommunalwahl.
2013, ein gutes oder ein schlechtes Jahr für RatingenEs gab wie immer gute und weniger gute Entwicklungen. Gut ist, dass sich unsere Steuereinnahmen wieder stabilisiert haben. Zwar noch nicht wieder auf dem Niveau der Rekordjahre 2005 bis 2011, aber doch so, dass wir handlungsfähig sind. Schlecht ist allerdings, dass man uns einen Teil der Einnahmen wieder wegnehmen will.
Sie spielen auf den umstrittenen Kommunalsoli an.Natürlich. Diese Zwangsabgabe ist zutiefst ungerecht und trägt Streit in die kommunale Familie.
Es ist aber sicher nicht von der Hand zu weisen, dass in vielen überschuldeten NRW-Städten bald die Lichter ausgehen, wenn sie keine Hilfe bekommen. Haben Sie gar kein Verständnis dafür, dass das Land hier einen gewissen Ausgleich schaffen will? Ich habe großes Verständnis für die Nöte dieser Städte. Aber wir sind bereits solidarisch im Rahmen des bestehenden kommunalen Finanzausgleichs. Über diverse Umlagen haben wir in den letzten Jahren hohe Millionenbeträge abgetreten, die dann ärmeren Städten zugute gekommen sind – allein in den letzten sieben Jahren stolze 270 Millionen Euro mehr als eine vergleichbar große Stadt. Gegen die bereits bestehenden Regelungen hat ja niemand etwas, die Ungleichheit im Land sollte nicht zu groß werden. Aber durch den Kommunalsoli wird die Solidarität überstrapaziert. Die geplante Regelung ist vollkommen willkürlich, sie ist nach unserer Auffassung nicht verfassungskonform, und sie drückt auch die Städte unter Wasser, die gerade noch soeben aus eigener Kraft schwimmen können.
Das kann nicht richtig sein. Dagegen wehren wir uns. Die Stadt Ratingen wird gemeinsam mit den anderen betroffenen Städten gegen den Kommunalsoli klagen. Das wäre nicht das erste Mal, dass Sie juristisch gegen die Landesregierung vorgehen.
Bei der unfairen Regelung zur Zahlung der deutschen Einheitslasten waren Sie erfolgreich. Ratingen bekommt Millionen zurück. Hat die Landesregierung aus dieser Erfahrung nichts gelernt?
Na ja, das Gesetz zu den deutschen Einheitslasten stammte ja noch von der schwarz-gelben Vorgängerregierung Rüttgers. Jetzt haben wir eine neue Situation. Aber es ist schon wahr: Ich finde, die amtierende Landesregierung macht beim Kommunalsoli auch einen Riesenfehler. Das habe ich Innenminister Jäger gesagt, und ich werde es ihm gern immer wieder sagen. Heute sind wir beide zu einer Podiumsdiskussion bei der NRW-Bank zum Thema Kommunalsoli eingeladen. Da ergibt sich wieder eine Gelegenheit.
Aber nochmal: Ist das Land nicht in der Pflicht, Not leidende Städte vor dem Untergang zu bewahren?Doch, selbstverständlich ist es das. Ich honoriere auch durchaus, dass das Land den überschuldeten Kommunen auch mit eigenen Mitteln unter die Arme greifen will. Der größte Teil der Hilfe kommt ja auch aus dem Landeshaushalt. Nur: Das ist immer noch kein Argument dafür, dass besser gestellte Städte auch zahlen sollen. Ratingen trägt ja keine Schuld an der Misere in anderen Städten. Das Grundproblem ist doch, dass die Kommunen seit vielen Jahren von Bund und Land vor allem im Sozialbereich gewaltige Lasten aufgebürdet bekommen, und zwar ganz gleich, welche Regierung in Berlin oder Düsseldorf gerade am Ruder ist. In Nordrhein-Westfalen ist das besonders krass. Die NRW-Städte mussten, Stand heute, Kassenkredite in der erschreckenden Gesamthöhe von 24 Milliarden Euro aufnehmen, um ihre laufenden Ausgaben zu decken. Das ist die Hälfte der Kassenkredite aller deutschen Kommunen. Für alle Fachleute ist klar: Den Kommunen kann nur nachhaltig geholfen werden, indem sie in ihrer Gesamtheit entlastet werden. Ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass der Streit um den Kommunalsoli geschürt wird, um von diesem Grundproblem abzulenken.
So sehr man den Kommunalsoli auch bekämpft, die Stadt muss sich zunächst einmal auf Einschnitte einstellen. Was kann man sich in Zukunft noch leisten?Es ist ein Balanceakt. Wir müssen natürlich klug mit dem Geld haushalten, aber das darf nicht heißen, dass wir uns kaputtsparen. Ich sehe es zum Beispiel überhaupt nicht ein, dass unsere Vereine und gemeinnützigen Organisationen, die extrem wertvolle ehrenamtliche Arbeit für unsere Stadt leisten, unter dem Kommunalsoli leiden sollen. Deshalb bin ich strikt gegen eine Kürzung von Zuschüssen. Auch Steuererhöhungen sind für mich tabu. Wir haben bei den Hebesätzen für die Grund- und Gewerbesteuer ein sehr vernünftiges Niveau, niedrig genug, um einen Anreiz für Ansiedlungen zu bieten, hoch genug für auskömmliche Einnahmen. Notwendige Investitionen in unsere Infrastruktur, in Schulen, Kindergärten und Straßen zum Beispiel, müssen ebenfalls getätigt werden. Das läuft schon alles, nur wie gesagt, unter erschwerten Bedingungen wegen des drohenden Kommunalsoli.
Zu den erschwerten Bedingungen zählt sicherlich auch die neue Konkurrenzsituation im Verwaltungsvorstand. Vier Parteien haben Ihren Stellvertreter Klaus Pesch zu Ihrem Gegenkandidaten bei der Bürgermeisterwahl im Mai gekürt.Das sehe ich nicht als Problem an. Ich habe mit Klaus Pesch keine inhaltlichen Differenzen. Wir haben beide ein Interesse daran, dass der Laden läuft. Ich bin davon überzeugt, dass wir das professionell hinbekommen.
Wurmt es Sie denn gar nicht, dass er gegen Sie kandidiert?Ich kann es ihm schlecht verdenken, dass er die Karrierechance, die ihm hier angeboten wird, ergreifen will. Es ist sein demokratisches Recht, und das habe ich ihm auch gesagt. Es gehört auch zur Demokratie, dass die Wähler unter mehreren Kandidaten wählen können.